Im Zeitalter der Renaissance entwickelte sich eine Hofmusik, die auf religiöse Tiefe, geistige Raffinesse und künstlerische Sensibilität reagierte. Inmitten des Habsburgerreiches bot der Hof Kaiser Maximilians I. ein musikalisches Umfeld, in dem sich Trauer und Erhabenheit in Meisterwerken begegneten. Musik diente nicht nur der geselligen Unterhaltung, sondern war ein Medium, um Trauer, Frömmigkeit und Menschlichkeit auszudrücken. Als einer der stärksten Führer Europas durch den Tod zum Schweigen gebracht wurde, reagierten die Komponisten mit Musik, die noch Jahrhunderte später nachhallt.
Music Cur Siles, oder "Musik, warum schweigst du?", ist eine Frage und ein Aufruf, der der Trauermotette „Quis dabit oculis nostris fontem lachrymarum“ entnommen ist. Die Motette, die Ludwig Senfl 1519 zum Gedenken an das Ableben Kaiser Maximilians I. komponierte, ist der emotionale Höhepunkt einer CD-Einspielung mit demselben Titel. Indem Senfl eine Bearbeitung des italienischen Komponisten Costanzo Festa umschreibt, verwandelt er tiefe Trauer in Musik.
Ein musikalisches Epitaph-
Um dieses zentrale Werk herum sind Stücke von Senfls Lehrer Heinrich Isaac und König Heinrich VIII. zu hören, die den regen musikalischen Austausch zwischen den Höfen Europas zu jener Zeit widerspiegeln. Senfls Motette ist nicht nur ein königliches Klagelied, sondern der Widerhall eines Zeitalters, das von Ritualen und Anbetung geprägt war. "Musica, cur siles?" ist das Pathos des kollektiven Verlustes, der die Musik anfleht, ihn in der Stille des Todes auszusprechen. Das plötzliche Ableben Maximilians I. verlangte nach einer sofortigen, aber dauerhaften Antwort, und Senfl gab sie mit einem Stück, das trauert, tröstet und Ehre erweist.
Einflüsse des höfischen Europas -
Heinrich Isaacs Beiträge in der Sammlung, wie „Innsbruck, ich muss Dich lassen“ und „Fortuna desperata“, verleihen der Sammlung poetisches Gewicht. Diese Lieder verdeutlichen die Kohärenz der deutschen, italienischen und englischen Tradition. Die Beiträge von Philippe Verdelot und Leonhard Paminger tragen zum Reichtum der Erzählung bei, und die Hinzufügung der „Taundernaken“ von König Heinrich VIII. verleiht der musikalischen Konversation jener Zeit eine königliche Stimme.
Eine Aufführung, die wieder auflebt -
Das Ensemble – Stefan Steinemann (Altus), Iris Lichtinger (Renaissance-Flöten), Michael Eberth (Clavicytherium), Vincent Kibildis (Renaissanceharfe) und Tabea Schwartz (Viola d`Arco) - erweckt in dieser Aufnahme längst verstummte Stimmen mit stilistischer Klarheit und emotionaler Sensibilität zu neuem Leben. Ausschnitte aus dem Buxheimer Orgelbuch fügen instrumentale Nuancen hinzu und zeigen geistliche und weltliche Harmonie innerhalb desselben künstlerischen Rahmens.
Fazit -
Music Cur Siles ist mehr als eine historische Sammlung - es ist ein klangliches Denkmal der Erinnerung, der Trauer und der Ausdruckskraft der Musik der Renaissance. Diese CD-Zusammenstellung lässt ein goldenes Zeitalter der Kunst wieder aufleben, in dem die Stille nicht nur mit Trauer, sondern auch mit Gesang beantwortet wurde. Sie bewahrt die Stimmen von Komponisten, die Verlust in Schönheit und Hingabe in Harmonie verwandelten. Mit jedem sorgfältig ausgewählten Stück lädt sie den Hörer in einen kontemplativen Raum ein, in dem die Geschichte durch die Musik atmet.